Reflektion mit Retrospektiven

Retrospektive – was soll das denn sein?

Heute möchte ich Dir eine Methode vorstellen, die ich als agile coach häufig mit meinen Teams nutze. Das heißt aber nicht, dass dieses Vorgehen nur für Teams sinnvoll ist. Ich führe auch regelmäßig Retrospektiven auf persönliche Fragestellungen durch und diesen Ansatz möchte ich Dir heute vorstellen.

Als agile coach arbeite ich mit Teams unter anderem daran, regelmäßig zu lernen und zu optimieren. Die Methode dazu nennt sich Retrospektive oder kurz Retro.  Egal, ob Du agil arbeitest oder „klassisch“ (was immer das heißt), regelmäßige Retrospektiven durchzuführen, kann ich nur empfehlen. 

Die Idee dahinter ist es, regelmäßig darüber nachzudenken, was aktuell gut läuft, was nicht so gut und dann konkret zu überlegen, was Du anders machen willst, um diese Punkte zu verbessern und dies dann fokussiert auch anzugehen.  Das ist ein etwas anderer Ansatz als bei einem lessons learned, wo ja eher am Ende eines Projektes betrachtet wird, was beim nächsten Mal anders gemacht werden sollte. In meinem Umfeld, finden Projekte eher einmalig statt. Da führen die Ergebnisse aus lessons learned selten zu einer wirklichen Veränderung. Hier ist die Retro anders, weil sie während eines Projektes und mit einem bestehenden Team durchgeführt wird, das dann die nötigen Maßnahmen durchführen und somit direkt Verbesserungen erreichen kann.

Du kannst eine Retro durchführen zu einem bestimmten Thema oder auch sehr weit fassen. Zu einem bestimmten Thema könntest Du Dich fragen, wie läuft es gerade mit meiner Prüfungsvorbereitung oder meinem Haushalt, meinen sozialen Umfeld. Weit gefasst wäre eher allgemein auf Dein Leben zu schauen.

Und wie soll das gehen?

Wie gehst Du nun vor? Eine Retrospektive beinhaltet grundsätzlich folgende Phasen: Set the stage – gather data – generate inside – decide what to do – closure. Ich zeige Dir im Folgenden, wie das bei einer “privaten Retro” umgesetzt werden kann.  

Set the stage – Ankommen

Nimm Dir erstmal Zeit. 1 bis 1,5 Stunden solltest Du Dich in Ruhe mit Deinem Thema befassen können. Komm also erstmal an. Atme mal durch. Leg Dir Papier, Stifte und was zu Trinken bereit.

Dann überlege Dir, welche Bereiche Du betrachten möchtest. Wenn ich eine allgemeine Retro mache, dann nehme ich mir gerne folgende Bereiche vor:

  • Familie – hier kannst Du auch detaillierter werden und z.B. Deine Ehe, die Beziehung zu Deinen Kindern oder Eltern oder auch zu Freunden separat betrachten
  • Beruf
  • Gesundheit
  • Finanzen
  • Freizeit und Kultur

Werde aber nicht zu detailliert. Bei den einzelnen Fragestellungen werden wir Bereiche, die nicht laufen, schon in den Sinn kommen – egal, ob Du sie am Anfang extra benennst.

Sammle Informationen – Gather Data

Als nächstes nimm Dir ein A3-Blatt und lege es quer. Lege Spalten an und schreibe in den Kopf die von Dir gewählten Bereiche. In meinem Beispiel brauchst Du also 5 Spalten. Darunter teilst Du das Blatt dann in 3 große weitere Spalten. Die obersten beiden heißen „Das läuft gut“  und „Das läuft nicht so gut“. Ich mal nur noch einen Smiley und einen Heuli rein.

Und dann nimm Dir 15 Minuten um über die einzelnen Bereiche nachzudenken und schreibe auf, was Dir einfällt. Wenn Dein Rücken schmerzt, kommt das in „Gesundheit :-(„, klappt es gerade mit den monatlichen Rücklagen ist das was für „Finanzen .-(„. Keine Zeit für Freizeit? Dann ab damit unter „Freizeit und Kultur .-(„. Ein Projekt läuft nicht? Notier es unter „Beruf .-(„. DieStimmugn zu Hause ist gerade gut, dann notier´s bei „Familie :-)“.

Schau genauer hin- generate inside

Wenn Dir irgendwann nichts mehr einfällt oderdie Zeit um ist, dann hör auf und schau Dir das ganze mal in Ruhe an. Was fällt Dir auf? Vielleicht hast Du in einen Bereich gar nichts geschrieben. Warum ist das so? Läuft es gerade normal und ist deshalb nicht „bemerkenswert“? Oder stellst Du gerade fest, dass der Bereich aktuell gar nicht stattfindet? Willst Du daran etwas ändern oder ist das momentan ok, weil es in einem Bereich gerade besonders gut läuft?

Stellst Du vielleicht fest, dass mehrere Themen einen gemeinsamen oder ähnlichen Grund haben? Dann wäre es vielleicht sinnvoll, Dich auf die Änderung dieses Grundes zu konzentrieren und so direkt mehr in Dein Leben zu verbessern.

Maßnahmen festlegen – decide what to do

Als nächstes überlege Dir nun, was Deine nächsten Schritte sein könnten, um die nicht so gut laufenden Themen zu verbessern. Sammle einfach mal, was Dir so einfällt. Nicht alles, was Du aufschreibst, musst Du angehen, aber manchmal hilft es, etwas auszusprechen oder aufzuschreiben. Man nennt das auch Brainwriting. Und wie beim Brainstorming ist hier erstmal alles erlaubt, um Deine Kreativität anzuleiern. Vielleicht ist Deine Idee eher ein Hirngespinst, aber es bringt etwas in Dir zum Klingen, das sich dann melden kann und so werden plötzlich Dinge denkbar. Rede Dir also Deine Ideen nicht direkt aus.

Wenn Dir irgendwann keine neuen Ideen mehr einfallen, dann schau Dir Deine möglichen Lösungen mal genauer an. Was könnte diesen Punkt wirklich zum Besseren wenden? Welcher Schritt könnte sinnvoll sein?

Wenn Dir etwas sinnvoll, aber zu groß erscheint, dann breche es runter und versuche, den Schritt zu finden, der klein genug ist, dass Du ihn gehen kannst. Denk dran, Dein innerer Schweinehund redet hier auch mit und möchte überzeugt oder überstimmt werden.

Suche nun 3 bis max. 5 Deiner Ideen aus, die Du tatsächlich umsetzen möchtest. Mehr reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass Du sie tatsächlich umsetzt. Klafores bedeutet ja Klarheit Fokus Resultate – und das nicht ohne Grund. Bei einer Retro siehst Du das daran, dass Du Dir über Problemfelder und Lösungsansätze klar wirst und dann fokussiert daran arbeitest, um Resultate zu erzielen. Zu viele Maßnahmen nehmen Dir den Fokus und dann bleiben die Resultate aus.

Also, nimm Dir wenig vor und setze das dann aber um. Lege fest, woran konkret Du bis wann arbeitest und  verankere das direkt in Deinem Kalender.

Zum Schluss lege den Zeitpunkt fest, wann Du die nächste Retro machst und plane auch das im Kalender ein. Die nächste Retro beginnst Du dann aber mit einem zusätzlichen Schritt: dem Überprüfen Deiner letzten Maßnahmen. Denn auch wenn Du meistens zum Thema Retro 5 Phasen findest – so richtig kraftvoll wird dieses Instrument erst, wenn Du überprüfst, was aus Deinen Ideen und Maßnahmen geworden ist.

Retrothemen

Statt dieser recht weitgefassten Retrospektive kannst Du eine Retro auch für ein kleineres Thema nutzen. Hier mal ein paar Ideen für persönliche Retrospektiven:

  • Haushalt – was läuft, was nicht?
  • Prüfungsvorbereitung oder Schule
  • Wie lebst Du Deine Werte?
  • Soziales – wie steht es um Dein Verhältnis zu Deinen Mitmenschen
  • Familie – Wie gehen wir miteinander um?
  • Beruf – Wie zufrieden bist Du gerade mit Deiner beruflichen Situation?

Retrospektiven im beruflichen Kontext

Retrospektiven nutze ich beruflich natürlich vor allem mit Teams und kann Dir das nur empfehlen. Egal, ob Ihr Euch hierbei von einem Coach begleiten lasst oder nicht. Eine Retrospektive soll Dinge auf den Tisch bringen und Lernen und Verbesserung ermöglichen. Dazu finden sich gerade im beruflichen Kontext diverse Themenfelder. Auch hier mal ein paar Ideen:

  • Retrospektive auf ein bestimmtes Projekt
  • Unsere Meetingkultur
  • Unser Umgang mit Stress
  • Wie gehen wir mit unseren Kunden um?
  • Zusammenarbeit mit Schnittstellen
  • Feedbackkultur
  • Wie gehen wir mit Fehlern um?
  • Wie organisieren wir unsere Arbeit?

Wenn Ihr mal auf Eure ganz individuellen Fallstricke im Team schaut, dann fallen Euch sicher noch andere Themen ein. Sei proaktiv und schlage Deinem Team mal vor, sich für so ein „Problemthema“ 60 bis 90 Minuten Zeit zu nehmen und schaut, auf welche Lösungsansätze Ihr kommt. Wenn ihr davon dann 3-5 tatsächlich angeht und umsetzt, verbessert Ihr nach und nach Euer Arbeitsumfeld.

Alles was Ihr dazu braucht, ist Offenheit und den Wunsch, Dinge zu verbessern. Und das kann man privat und beruflich tun. Ich wünsche Dir dabei den nötigen klaren Blick und die Energie, um dranzubleiben. Mutig voran!